Aus der Feder unserer Coaches
Knowhow, Erfahrungen, Überlegungen

Strategische Stellensuche mit schwerbehinderten Menschen
von Andreas Faller

Die Inklusion von Schwerbehinderten im ersten Arbeitsmarkt ist ein noch sehr junges gesellschaftspolitisches Ziel. Dementsprechend ist das Wissen in Unternehmen und bei Arbeitgebern noch gering. Welche Möglichkeiten, Rahmenbedingungen und unterstützenden Maßnahmen der Agentur für Arbeit gibt es eigentlich für Firmen und Betriebe, wenn diese einen Schwerbehinderten in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis einstellen. Der Erfolg des aktuellen Projektes „Initiative Inklusion Nordschwarzwald“ (IINSW), das pro.Di im Auftrag der Agentur für Arbeit durchführt, ist deshalb nur dann erreichbar und damit verbunden, wenn in der Zielgruppe der Arbeitgeber überzeugende Informations- und Aufklärungsarbeit geleistet wird.

Zielgruppe Arbeitgeber und Unternehmen

Betrachtet man die Gesamtzielgruppe von Arbeitgebern in Deutschland aus Sicht des Marketings, suchen wir nach Nischen in Form von ganz bestimmten Arbeitsplätzen und Arbeitgebern, deren Anforderungen den Fähigkeiten unserer schwerbehinderten Teilnehmer genau entsprechen. Um die Grundlage dafür zu legen, dass die Beschäftigungs­ver­hältnisse nachhaltig sind, müssen die jeweils passende Stelle und der passende Arbeitgeber gefunden werden.

Im Idealfall bedeutet dies, nicht nur qualitativ gut gestaltete Bewerbungen zu versenden, sondern den direkten und persönlichen Kontakt zu den Arbeitgebern aufzunehmen. Dazu müssen im Schulterschluss die optimalen Rahmen­be­dingungen geschaffen werden, damit der Arbeitgeber und der schwerbehinderte Mitarbeiter den Arbeitsplatz optimal nutzen können (vergl. www.inklusion-nsw.de/arbeitgeber).

Individuelles Coaching als Lösungsansatz

Das Coaching mit den Schwerbehinderten ist in diesem Projekt deshalb sehr individuell und unterschwellig zu gestalten. Jeder der Schwerbehinderten hat einen ganz persönlichen und individuellen Lebensweg hinter sich und ganz persönliche und individuelle Einschränkungen durch seine Behinderung. Die Gruppen der Teilnehmer sind an allen fünf Standorten des Projektes Initiative Inklusion Nordschwarzwald sehr heterogen: Einige der Teilnehmer sind seit ihrer Geburt behindert, viele andere haben sich die Behinderung durch eine Krankheit oder einen Unfall mitten im Leben zugezogen. Daraus resultierend müssen im Inklusions-Coaching immer wieder neue Lösungen entwickelt werden, die der Situation der einzelnen Teilnehmer entsprechen.

Fehlendes Netzwerk von Unternehmen

Arbeitgeber, die aus unterschiedlichen Gründen dazu bereit sind einen Schwerbehinderten einzustellen, sind aktuell nicht gelistet und/oder in öffentlichen Medien ausfindig zu machen. Es gibt zwar auf nationaler Ebene Initiativen von einigen großen Unternehmen wie beispielsweise das Unternehmensforum Inklusion. Regional im Verbreitungsgebiet der Initiative Inklusion Nordschwarzwald dagegen, gibt es noch keine gemeinsamen Aktivitäten von Arbeitgebern und/oder Unternehmen. Ohne ein Netzwerk zu solchen „inklusiven Arbeitegebern“, muss also der direkte Kontakt mit unverbindlichen Anfragen und Beratungsangeboten aus dem laufenden Coaching-Prozess erfolgen und aufgenommen werden.

Offener und verdeckter Arbeitsmarkt

Die erste Analyse des Arbeitsmarktes insgesamt bringt zwei große Bereiche zu Tage, die sich grundsätzlich sehr stark voneinander unterscheiden.

  • Der offene Arbeitsmarkt:
    Stellen werden in den verschiedenen Medien offen angezeigt und angeboten. Die Qualifizierungsanforderungen sind zum großen Teil darin beschrieben. Die Stellen sind auch intern veröffentlicht, so dass sich die Mitarbeiter des Unternehmens intern bewerben können. Die Stellen sind einerseits neue Planstellen, die im Unternehmen neu geplant werden, andererseits Stellen, die schon Planstellen sind und wiederbesetzt werden. Diese Stellen verlangen in der Regel eine entsprechende Bewerbung und/oder einen Eignungstest (zum Teil digital) und zumindest ein Vorstellungsgespräch.
  • Der verdeckte Arbeitsmarkt:
    Stellen werden nicht offiziell angezeigt oder ausgeschrieben. Die Qualifizierungsanforderungen sind manchmal klar, manchmal unklar, wenn die Stellen aus einem spontanen Bedarf z.B. durch neue Technologien, neue Bedarfe der Kunden oder durch Kapazitätsengpässe entstehen. Diese Stellen werden in unbestimmten Netzwerken von Arbeitgebern und Mitarbeitern weiter kommuniziert und es findet sich auf diesem Wege Personen, die sich für die Stelle eignen und dafür die notwendigen Voraussetzungen mitbringen oder angelernt werden können. Diese Stellen werden manchmal ohne offizielles Bewerberverfahren, ohne Eignungstest, sondern nach einem Vorstellungsgespräch besetzt. Eine Bewerbung wird oft überhaupt nicht erwartet (ggf. reichen Arbeitszeugnisse, Zertifikate über berufliche und schulische Abschlüsse) oder die Bewerbung wird erst nach oder ein paar Tage vor der Einstellung aus formalen Gründen an das Unternehmen gereicht.

Beide Arbeitsmärkte sind für die Stellensuche von schwerbehinderten Menschen relevant, müssen recherchiert, beobachtet und bearbeitet werden. Im verdeckten Markt ist die Wettbewerbssituation für die Stelle weitaus chancenreicher, weil es in der Regel nicht so viele Bewerber gibt – ein entscheidender Vorteil.

Unterschiede in der Informationsbeschaffung

Die Unterschiedlichkeiten dieser beiden Arbeitsmärkte wirft die Frage auf, ob sich die Vorgehensweisen bei der Bewerbung für die Stellen auch unterscheiden und welche Strategien und Konzepte sich dafür anbieten:

  • Der Bewerbungs-Prozess im offenen Stellenmarkt beginnt mit der klassischen Stellensuche im Internet (z. B. Jobbörse der Agentur für Arbeit) und in den klassischen Printmedien, die national, regional und sub-lokal ver­breitet sind, wie Tageszeitungen, Wochenblätter und Gemeindeblätter etc.
  • Die Stellensuche im verdeckten Arbeitsmarkt funktioniert nur über informelle Informationen, die in der Regel in Gesprächen mit Mitmenschen aus der eigenen Familie oder im Bekannten- und Freundeskreis erworben werden und oftmals mehr oder weniger zufällig aufgenommen werden können.

Strategie für die Stellensuche im offenen Arbeitsmarkt

Für die Stellensuche auf dem offenen Arbeitsmarkt bestimmt die Erfolgsaussicht in erster Linie der Nutzen, den der Bewerber für den Arbeitgeber anzubieten hat. Deshalb muss für jeden Schwerbehinderten, der an der Initiative Inklusion Nordschwarzwald teilnimmt, im Coaching-Prozess dieser Nutzen analysiert und definiert werden.

Als strategisches Konzept dafür kann die Orientierung an der Engpasskonzentrierten Strategie (EKS) von Prof. Wolfgang Mewes angewendet werden (vergl. www.mewes-strategie.de). Mewes gilt als Pionier der kybernetischen Managementlehre in Deutschland. Auch Protagonisten der EKS gewichten deren Bedeutung und Wirkung differenziert (vergl. 2018 - Bundesverband StrategieForum e.V. Mannheim). Nach Fredmund Malik besteht die Besonderheit der EKS in ihrer dynamischen Form der Spezialisierung. Damit trage sie maßgeblich zur Komplexitätsbewältigung bei und zeige in der Orchestrierung mit weiteren kybernetischen Tools eine große Bedeutung für das Management komplexer Systeme (vergl. EKS-Erfolg durch Spezialisierung. 13.Neuauflage, Offenbach 2009).
Mewes zeigt die Wege auf zur Erreichung einer strategischen Schlüsselposition von Einzelpersonen (Angestellte, Freiberufler und Unternehmer) und der damit zu erreichenden Verbesserung der Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse im Mosaik sozioökonomischer Einheiten (Abteilungen, Betrieben und Märkten). Die so verstandene EKS sei demnach auch eine Strategie zur wirkungsvollen Förderung von Karrieren in nahezu allen Berufen.

Ein Zitat von Mewes kann man direkt auf die Gruppe der schwerbehinderten Bewerber beziehen: „Ein Durchschnittsmensch, der sich auf den wirkungsvollsten Punkt konzentriert, wird erfolgreicher sein als ein Genie, das sich verzettelt!

Ganz allgemein ermöglichten die mit EKS bereitgestellten Tools die Regelung und Steuerung von Projekten, Unternehmen und Organisationen.

Die 4 Grundprinzipien der EKS-Erfolgsstrategie (geistiges Grundprinzip):

  1. Konzentration auf die Stärken
    Eigene Stärken analysieren – in die Stärken investieren, Spezialisierung auf die Zielgruppe
  2. Was braucht die Zielgruppe am meisten
    Der Minimumfaktor – die Engpassorientierung
  3. Nutzenorientierung geht vor Gewinnmaximierung
    Das tun was nicht jeder macht – Nischenstrategie
  4. Strategie als überlegener Kräfteeinsatz
    Die mir zur Verfügung stehenden Kräfte auf den wirkungsvollsten Punkt konzentrieren

Diese 4 Grundprinzipien sollten im Hinblick auf die einzelnen Schwerbehinderten als individuelle Personen untersucht und definiert werden, als auch für die Arbeitgeber, für deren Stellenausschreiben sich die Schwerbehinderten bewerben. Je mehr Parallelen sich aufzeigen lassen, je größer ist die Chance, dass beide den größtmöglichen Nutzen aus der künftigen Zusammenarbeit haben.

Erläuterungen zu den Grundprinzipien

Im Stoffplan der pro.Di für das Projekt IINSW nimmt die Herausarbeitung der Stärken der einzelnen Teilnehmer eine sehr hohe Priorität ein, so dass das erste Prinzip der EKS-Erfolgsstrategie schon umgesetzt wird (vergl. Stoffplan/IINSW-pro.Di GmbH).

Das zweite Prinzip, den dringlichsten Bedarf (Engpassorientierung TOC – vergl. Dr. Eliyahu M. Goldratt, Campus Verlag GmbH 3. Auflage 2002 / Liebigsche Minimumgesetz, spektrum.de/lexikon/biologie/minimumgesetz) des Arbeitgebers in Bezug auf die Besetzung der Stelle zu analysieren, für die sich der Teilnehmer bewerben möchte, lässt sich durch die umfassende Recherche des Unternehmens, den Führungspersonen, seiner Historie und den gegenwärtigen Marktverhältnissen in der Branche untersuchen. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass eine exakte Definition des dringlichsten Bedarfs der Stellenbesetzung möglich ist, ohne persönlichen Kontakt und konkrete Informationen beim Arbeitgeber einzuholen.

Für das dritte Prinzip „Nutzenorientierung vor Gewinnmaximierung“ kann beispielsweise die Möglichkeit einer für den Arbeitgeber kostenfreien, mehrmonatigen Arbeitserprobung und Einführung des Schwerbehinderten angeboten werden. So kann der Arbeitgeber die Mitarbeit des Schwerbehinderten auf seine optimale Nutzenorientierung ausrichten und dadurch sein unternehmerisches Risiko, einer nicht optimalen Gewinnmaximierung, reduzieren. Längerfristig und noch effizienter kann der Eingliederungszuschuss die Einstellung eines SB unterstützen und den AG finanziell entlasten und die Kapazitäten für die größtmögliche Nutzenorientierung ermöglichen. Hier sei auch ausdrücklich die hohe Flexibilität der Schwerbehinderten in der Gestaltung der Wochenarbeitszeit genannt. Zahlreiche Teilnehmer sind aufgrund ihrer Behinderung sehr daran interessiert in Teilzeit zu arbeiten und die Einsatzzeiten am Bedarf des Arbeitgebers zu orientieren. Und zweifelsohne sind die Schwerbehinderten, die am Projekt IINSW teilnehmen, in der Regel sehr viel höher motiviert einen Arbeitsplatz zu finden, da ihre Erfahrungen meistens zu der Erkenntnis geführt haben, dass die Möglichkeiten ihrer nichtbehinderten Bewerbungswettbewerber positiver einzuschätzen sind. Mewes These: Indirekte Gewinnmaximierung wird durch die NUTZEN-Strategie ein überlegenes Unternehmensziel.

  • Erfolgreiche Unternehmen gewichten die NUTZEN-Maximierung für Ihre Kunden höher als die Gewinnmaximierung.
  • Gewinne als Folge der Nutzenmaximierung: Der Gewinn steigt umso stärker, je mehr man sich am Nutzen der Kunden (Umwelt) orientiert.

Die beste Voraussetzung für die Einstellung des Schwerbehinderten ist also, einen konkreten Nutzen für die Geschäftsziele des AG mit der Anstellung anbieten zu können. Überwiegend liegen diese Ziele sicher im wirtschaftlichen Bereich, es gibt jedoch auch Aspekte, die den sozial- und gesellschaftspolitischen Bereich betreffen können. Das können Unternehmensleitsätze und/oder Imageziele des Unternehmens sein, die durch Einstellung eines Schwerbehinderten gefördert und realisiert werden können.

Das vierte Prinzip ist aus Sicht des Bewerbers die Fokussierung auf seine speziellen Stärken und/oder den speziellen Nutzen, den er für den zukünftigen Arbeitgeber einbringen kann. Dieser Nutzen für den Arbeitgeber kann auf verschiedenen Ebenen positioniert sein. Zum Beispiel:

  1. In der flexiblen Arbeitszeitgestaltung (Teilzeit, unregelmäßige Einsatzzeiten).
  2. In einer speziellen Tätigkeit, die bisher von anderen Mitarbeitern zusätzlich verrichtet wurden (z.B. Tätigkeiten, die für nichtbehinderte Mitarbeiter auf Dauer nicht ausfüllend sind, für schwerbehinderten allerdings schon, da sie aufgrund von Beschränkungen durch ihre Schwerbehinderung genau passend sind).
  3. Pflege und Strukturierung von Stammdaten, Montage von Kleinteilen, einfache Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich, In den Personalkosten (Eingliederungszuschuss, Bereitstellung von Hilfsmitteln für den Schwerbehinderten und Einsparung der Ausgleichsabgabe).
  4. In der Unterstützung durch ein Eingliederungsmanagement, welches im Rahmen einer kostenlosen Arbeitserprobung bzw. der Probezeit, finanziert werden kann.
  5. In der Optimierung des Unternehmensimages (sozialpolitische Aspekte für den Arbeitgeber, der konkreten Realisierung von Leitgedanken und -sätzen) etc.

Die Umsetzung der Grundprinzipien in 7 Phasen

Mewes beschreibt die praktische Umsetzung dieser 4 Grundprinzipien in den folgenden sieben Entwicklungsphasen (vergl. Heinz Gernot Nieter u. Helmut Steinl - Strategenteam, Praktikerseminar Naturkonforme Strategie, Stuttgart 1989):

  • Phase 1: Das Eigenprofil des Unternehmens/Person/Systems Analyse der Ist-Situation und der speziellen Stärke „Worin bin ich wirklich gut?“
  • Phase 2: Für die Lösung welcher Aufgaben bin ich geeignet. Analyse der erfolgversprechendsten Tätigkeitsfelder (Chancen) „Was kann ich unter Umständen sogar besser als andere?“
  • Phase 3: Welche Zielgruppe von (AG) hat das Problem, das ich lösen kann Suche nach der erfolgversprechendsten Zielgruppe – große Anziehung „Wo liegen meine Stärken, für welche Branchen von Arbeitgebern sind diese von Nutzen?“
  • Phase 4: Welches ist das wichtigste Problem meiner Zielgruppe (AG) Analyse der Zielgruppe und ständige weitere Einengung „Mögliche Engpässe analysieren und einengen in Bezug auf die mögliche Tätigkeit!“
  • Phase 5: Wo liegt der Engpass der Zielgruppe EKS®-Innovationsstrategie – mit größerem Nutzen die Zielgruppe gewinnen „Den für die Zielgruppe zwingenden Nutzen anbieten für die Lösung des Engpasses!“
  • Phase 6: Nicht verzetteln, sondern Lösungspartner suchen EKS®-Kooperationsstrategie – Stärkenprofil ergänzen durch Partner – politische Begrenzung „Partner zur Zusammenarbeit gewinnen, wer allein arbeitet addiert, wer zusammen arbeitet multipliziert!“
  • Phase 7 : Konzentration auf das konstante Grundbedürfnis Dauerhafter Erfolg „Zur langfristigen Absicherung ständig die Chancen und Risiken der Spezialisierung ständig überprüfen und ggf. Tätigkeitsprofil ausbauen!“

Die EKS-Strategie ist immer darauf ausgerichtet eine Nische zu entdecken und weiterzuentwickeln. EKS möchte gezielt dem ungesunden Verdrängungswettbewerb entkommen und sucht deshalb im eigenen System die besondere Fähigkeit. Sie passt deshalb hervorragend zur Situation von schwerbehinderten Bewerbern, auch für deren Erfolg bei der Stellensuche, ist die Besetzung einer Nischentätigkeit in einem Unternehmen immer eine gute und dauerhafte Lösung.

Strategie für die Stellensuche im verdeckten Arbeitsmarkt

Für die Stellensuche auf dem verdeckten Arbeitsmarkt bestimmt die Erfolgsaussicht in erster Linie, wie der schwerbehinderte Bewerber an die Informationen über die Stellen herankommt. Dafür eignet sich als strategisches Konzept „Life/Work Planning (L/WP)“ von Manfred Fock (vergl. Manfred Fock, Seminar: Passende Stellen da finden, wo sonst niemand sucht) an.

Fock meint, laut Bundesagentur für Arbeit werden in Deutschland über 66 % aller Stellen niemals öffentlich ausgeschrieben. In anderen Worten: Nur jede dritte Stelle wird tatsächlich öffentlich ausgeschrieben. Bei der Konzentration der Stellensuche auf den offenen Stellenmarkt bleiben, also rund 66% der Chancen auf eine passende und interessante Tätigkeit praktisch ungenutzt. Foch beschreibt das L/WP als ein Planungsverfahren für Menschen, die aktiv eine Arbeit suchen, die wirklich zu Ihnen und zu ihrem Leben passt.

3 große Fragen: Was? Wo? Wie

Fock definiert drei große Fragen, die die Stellensuche entscheidend bestimmen. Egal, ob die Bewerber, die vor dem Start ins Berufsleben stehen, sich gerade beruflich verändern wollen oder den Wiedereinstieg nach einer Berufspause suchen: die entscheidenden Fragen sind immer die gleichen: Was? Wo? Und Wie?. Und genau so heißen auch die Bausteine des L/WP-Verfahrens (vergl. Manfred Fock, www.lwp-seminare.de):

  1. Was für Fähigkeiten habe ich? Und vor allem: Welche Fähigkeiten will ich beruflich auch wirklich einsetzen?" (Denn nicht alles, was wir guttun, tut uns auch gut). Welchen "Beitrag" leiste ich gerne - unabhängig vom Zweck, dem er dient? Viele Menschen können ziemlich genau sagen, was sie nicht gerne tun. Die Chancen darauf, etwas tun zu dürfen - und dafür bezahlt zu werden - das ich mag, steigen erheblich, wenn ich weiß, was ich will - und ich auch klar darüber sprechen kann.
  2. Wo möchte ich meine Fähigkeiten einbringen? Wie müssen Arbeitgeber und Arbeitsplatz sein, damit ich sagen kann, das passt für mich! Je genauer ich sagen kann, welche Branche mich wirklich interessiert, mit was für Menschen Sie gerne zusammen arbeiten, für wen Ihre Arbeit wirklich nützlich sein soll und was das tatsächliche Ergebnis meiner Arbeit sein sollte, desto präziser kann ich auch dort passende Stellen finden, wo sonst niemand sucht.
  3. Wie finde ich Stellen, die zu mir passen? Wie kann ich - ohne mich zu verstellen - eine ehrliche Marktuntersuchung durchführen, um so diejenigen Arbeitgeber ausfindig zu machen, die mich brauchen, so wie ich bin? Wer erkennt, wie der Arbeitsmarkt wirklich funktioniert (entscheidend ist nicht, was wir darüber denken, sondern wie es wirklich ist), der kann auch die richtigen Werkzeuge einsetzen. Daher macht es erst einmal Sinn, sich in die Rolle von Arbeitgebern zu versetzen.

Für Manfred Fock heißt das: „Man kann sich auf diese Stellen auch niemals bewerben!“ Deshalb bietet dieser "verdeckte und verborgene Arbeitsmarkt" ein hohes Potential für schwerbehinderte Bewerber eine passende Stelle zu finden. Klassische Recherche wie Zeitungen oder das Internet helfen in diesem Falle einfach nicht weiter. Stattdessen fordert Fock Infos aus erster Hand und zwar von ausgewiesenen Experten. Sie mit L/WP wie Sie sich diese Informationen systematisch beschaffen und dabei persönliche Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern knüpfen. Dazu braucht es so Fock, weder "Vitamin B" noch muss man anderen Menschen "etwas vormachen". Der Bewerber folgt wirklichen Interessen und erkennt, dass das persönliche Netzwerk bereits ausreicht, um den ersten effektiven Schritt in den verdeckten Arbeitsmarkt zu machen. „So kann man passende Stellen da finden, wo sonst niemand sucht“, ist das Fazit von Fock.

Life/Work Planning (Lebens- und Arbeitsplanung) ist ein rückwärts gerichtetes Verfahren – die Prozesskette oder Planung beginnt mit dem Ziel. Fock bezeichnet diese Vorgehensweise als eine, die von den meisten Menschen meist täglich angewandt wird, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Als Beispiel führt er an: „Sie kennen das auch: Wenn Sie wollen, dass ein Projekt gut läuft, überlegen Sie immer zuerst, wie das Ergebnis konkret aussehen soll. Erst dann planen Sie schrittweise rückwärts, jeweils mit der Frage "was müsste vorher passieren“, damit das gelingt? Und wie ist es bei Ihrer Berufsplanung? Mit L/WP planen Sie auch hier rückwärts, damit es besser funktioniert.“

Das strategische Konzept der L/WP beinhaltet nach der Zielsetzung 3 Phasen:

Zielsetzung: Was möchte ich tun? Was kann ich besonders gut? Welche Tätigkeit(en) möchte ich ausüben?

  1. Sondierungsphase:
    Wie komme ich an die Personen ran, um meine Informationen zu bekommen? Wo könnte ich hingehen? Kenne ich irgendjemand (z.B. Familie, Bekannte), der mir helfen könnte, Kontakt mit bestimmten Personen aufzunehmen? à Netzwerkliste mit 30 Personen anfertigen, welche man schätzt und diese im Anschluss nach der Wichtigkeit sortieren.
  2. Info-Phase:
    Jobsuche nach echten Fakten. Das bedeutet man redet mit Personen, die wirklich Ahnung davon haben (z.B. Angestellte, die in der Stelle und in dem Unternehmen tätig sind). Es sollten 10-12 Personen befragt werden, damit man die echten von den falschen Fakten aussortieren kann. Mögliche Fragen, die man den oben genannten Personen stellen kann, um Argumente für das Einstellungsgespräch zu sammeln und zu signalisieren, dass sie sich mit dem Unternehmen auseinandergesetzt hat: Wie sind Sie an diese Stelle gekommen? Was gibt es Positives? Was gibt es Negatives (Dadurch erfährt man, welchen Bedarf das Unternehmen hat)? Wer ist mein Ansprechpartner?
  3. Einstellungsphase:
    Das Ziel ist, dass der Bewerber zum Gespräch eingeladen wird. Wie könnte man dies erreichen? Man weiß, dass im Unternehmen ein Bedarf besteht und dass man die richtige Person ist, um diesen zu decken. Dies erreicht man dadurch, dass man im Vorfeld Informationen über den Betrieb eingeholt hat. Man signalisiert dadurch: Ich weiß genau, wie es hier abläuft und ich passe super hinein! Da man sich sehr gut reflektiert hat, kann man mit seinen Fähigkeiten argumentieren.

An diesem Punkt sind eindeutige Parallelen zwischen der Methodik L/WP und der EKS-Strategie zu erkennen. Beide Strategien versuchen eine Nische zu besetzen, in der die Bewerber eine Wettbewerbssituation analysieren, in welcher sie auf weniger direkte Wettbewerber im Arbeits- und Stellenmarkt stoßen. L/WP sowie EKS setzen eindeutig einen Schwerpunkt in der Analyse der individuellen Persönlichkeit der einzelnen Bewerber und Bewerberinnen. Insbesondere ihre Wertvorstellungen und ihre Einstellung, ihre Fähigkeiten und Stärken und bei den schwerbehinderten Bewerbern die exakte Einschätzung der gesundheitlichen Beschränkungen spielen eine große Rolle, um eine passende Tätigkeit bzw. Stelle zu definieren und zu finden.

Das entspricht auch dem Begriff des unterschwelligen Coachings, das pro.Di im Projekt Initiative Inklusion Nordschwarzwald empfiehlt und umsetzt. Die beiden Strategien, EKS und L/WP, können dabei von den Teilnehmern als nachvollziehbare Konzepte für ihre Stellensuche in enger Zusammenarbeit mit den Coaches durchgearbeitet werden und bilden eine erfolgsversprechende Kombination dafür, dass die schwerbehinderten Bewerber und Bewerberinnen innerhalb der Projektzeit in das Arbeitsleben zurückkehren können.

Quellen und Literaturverzeichnis:

  • pro.Di GmbH 2018, www.inklusion-nsw.de/arbeitgeber
  • Prof. h.c. Wolfgang Mewes, 2015, 2016, 2017 Wolfgang-Mewes-Stiftung, Oldenburg / www.mewes-strategie.de 2018
  • Bundesverband StrategieForum e.V. Mannheim, Strategie Journal 03-2018
  • Dr. Eliyahu M. Goldratt, Campus Verlag GmbH 3. Auflage 2002
  • J. von Liebig, Liebigsche Minimumgesetz, www.spektrum.de/lexikon/biologie/minimumgesetz
  • Heinz Gernot Nieter u. Helmut Steinl - Strategenteam, Praktikerseminar Naturkonforme Strategie, Stuttgart 1987
  • Manfred Fock, Seminar: Passende Stellen da finden, wo sonst niemand sucht, 19.10.2018, Schömberg
  • Manfred Fock, www.lwp-seminare.de