Hinweise und Infos für Arbeitgeber
Menschen mit Behinderung als starke Arbeitnehmer gewinnen

Chancen

Einerseits stellt gesellschaftlicher Wandel und Fachkräftemangel Arbeitgeber und Unternehmen vor große Herausforderungen. Andererseits haben Menschen mit Schwerbehinderungen großes Potential und können, passgenau eingesetzt, zu wertvollen Mitarbeitenden und Stützen in den Unternehmen werden.

Beratungen

Im Rahmen unseres Projektes „Initiative Inklusion Nordschwarzwald“ arbeiten wir mit Arbeitgebern und Unternehmen zusammen, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen möchten:

  • Wir beraten Sie neutral über Fördermöglichkeiten, technische Hilfen, betriebliches Eingliederungsmanagement und in allen anderen Fragen.
  • Wir unterstützen Sie in allen Situationen, die mit der Einstellung oder einer kostenlosen Arbeitserprobung unserer Teilnehmenden zu tun haben.
  • Wir organisieren für Sie die notwendigen, zusätzlichen Mittel zur behindertengerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes.
  • Wir begleiten Sie und unsere Teilnehmenden auch nach der Arbeitsaufnahme, während eines Praktikums oder einer kostenlosen Arbeitserprobung.

FAQ

Nicht unbedingt! Die Leistungsfähigkeit misst sich daran, wie gut der Schwerbehinderte die Aufgaben an seinem Arbeitsplatz erfüllen kann. Passt der Arbeitsplatz, sind schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer genauso leistungsfähig wie nichtbehinderte Arbeitnehmer.

Unternehmen, die 20 Arbeitsplätze oder mehr haben sind verpflichtet, 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 154 Abs.1 SGB IX 2018).

Für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Beschäftigungspflicht gilt: Wenn eine Arbeitsstelle zu besetzen ist, muss der Arbeitgeber prüfen, ob er einen geeigneten schwerbehinderten Menschen einstellen kann. Ist das nicht der Fall muss das Unternehmen eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt abführen.

Wenn die Person behindert oder schwerbehindert ist und aus Gründen, die in ihrer Person liegen, nur schwer auf einen Arbeitsplatz vermittelt werden kann, erhält der Arbeitgeber Unterstützung bei der Lohn- und Gehaltszahlung. Der Eingliederungsschuss kann bis zu 70 % des Arbeitsentgeltes einschließlich des Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung betragen.

Findet ein Mensch mit Behinderung, Schwerbehinderung oder ein gleichgestellter Mensch dadurch leichter einen Einstieg ins Arbeitsleben oder darüber hinaus sogar eine dauerhafte Arbeit, können die Kosten für die Probebeschäftigung für bis zu 3 Monaten übernommen werden.

Sie geben einem jungen Menschen mit Behinderung die Chance, ins Berufsleben einzusteigen. Das nehmen sowohl die Beschäftigten als auch ihre Partner und Kunden positiv auf. Wenn der Ausbildungsplatz passt, dann gewinnen sie leistungsfähige und motivierte Auszubildende und zukünftige Fachkräfte. Und schließlich: Sie sparen die Abführung einer Ausgleichsabgabe. Für jeden Auszubildenden mit Behinderung können unter anderem bis zu drei Pflichtarbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung angerechnet werden – auch im ersten Jahr nach Abschluss der Ausbildung.

Stimmen von Arbeitgebern

Good Practice: Mit der Initiative Inklusion ins Arbeitsleben

Geschäftsführer Herr Weber-Carstanjen ist mit der Arbeit von Herrn Winkler sehr zufrieden

Herr Winkler ist Technischer Produktdesigner, voll motiviert und arbeitslos. Er leidet unter einem Asperger Syndrom und wurde deshalb von der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim auf das Projekt "Initiative Inklusion im Nordschwarzwald" (IINS) aufmerksam gemacht. Eigentlich wollte er sich selbstständig auf die Suche nach einer Anstellung in einem metallverarbeitenden Industriebetrieb machen. Und auf keinen Fall wollte er über einen Personaldienstleister vermittelt werden. Dem Projekt stand er zu Beginn skeptisch gegenüber. Eine wichtige Rolle dafür spielten seine persönlichen Erfahrungen, die er im gesellschaftlichen und beruflichen Umgang mit behinderten Menschen gemacht hat.

Obwohl Herr Winkler die Erfolgsaussichten der "Initiative Inklusion" gering einschätzte, ließ er sich darauf ein. Im Projekt wurde er bei der Stellenrecherche in der Jobbörse der Agentur für Arbeit auf die Stelle der Firma Simex aufmerksam. Nach seiner Bewerbung kam es schnell zu einem sehr langen und umfassenden Vorstellungsgespräch. Der Eigentümer und Geschäftsführer, Herr Tyll Weber-Carstanjen, zeigte sich beeindruckt von dem sehr offenen Umgang Herr Winklers mit seiner Behinderung. Auf die Bitte, sein Können kurz zu demonstrieren, zeigte Herr Winkler, was er an fachlichem Know-how mitbringt und überzeugte auf ganzer Linie. „Wir sahen sofort, dass Herr Winkler sehr gute Programmkenntnisse hat und er für unser Unternehmen und unsere Arbeit einen sehr wertvollen Beitrag leisten kann“, bestätigt Herr Weber-Carstanjen.

Auch von den Mitarbeitern wurde Herr Winkler sehr gut aufgenommen. Natürlich kam es in der Anfangszeit auch zu Missverständnissen - fachlicher und persönlicher Natur. Diese wurden aber sofort angesprochen und lösungsorientiert angegangen. Inzwischen hat sich Herr Winkler sehr gut eingelebt und ist ein wertvoller und gleichberechtigter Mitarbeiter in der Firma. Der Schwerpunkt seiner Arbeit war in der ersten Zeit der Aufbau einer Struktur zur Digitalisierung der Konstruktionspläne und -zeichnungen. Inzwischen entwickelt Herr Winkler auch eigene Konstruktionen für die Kunden des Unternehmens. Dabei geht er im höchsten Maße strukturiert, fast perfektionistisch und sehr normorientiert vor. Das ist typisch für autistisch veranlagte Menschen. Einerseits ist das ein großer Vorteil für das Unternehmen, andererseits brauchte Herr Winkler etwas Zeit, auch Abweichungen im Kundensinne und von der Norm zu akzeptieren. "Wenn er sich jedoch auf die veränderten Bedingungen eingelassen hat, ist Herr Winkler in der Lage, wirklich sehr gute Ideen für die Konstruktionen zu entwickeln", meint Herr Weber-Carstanjen.

Interview Dr.-Ing. Tyll Weber-Carstanjen
Geschäftsführer der Fa. SIMEX Filterpressen und Wassertechnik GmbH & Co.KG

Was hat Sie bewogen, einen schwerbehinderten Menschen mit bekannter Problematik einzustellen? Gab es Ängste oder Bedenken?

In der eigenen Familie haben wir Erfahrungen mit behinderten Menschen gemacht und da meine Frau ehrenamtlich im sozialen Bereich engagiert ist, wussten wir beispielsweise, dass autistische Menschen über bemerkenswerte Talente verfügen. Herrn Winkler ging in seiner Bewerbung sehr offen mit seiner Behinderung um und konnte berufliche Qualifikationen aufführen, die für uns sehr interessant waren. Ausschlaggebend war, dass er die von uns verwendete Software beherrscht. Über die Einstellung von Herrn Winkler haben wir im gesamten Mitarbeiterteam ganz offen gesprochen. Dass es durch seine Behinderung bedingte Engpässe geben würde, war uns allen klar, aber die Vorteile überwogen und so haben wir uns gemeinsam dafür entschlossen.

Wie kam der Kontakt mit dem Teilnehmer/dem Projekt zustande?

Der Kontakt zu Herr Winkler kam ganz klassisch über ein Stellenangebot in der Jobbörse der Agentur für Arbeit zustande. Herr Winkler ist mit seinen Coachs als Teilnehmer der Calwer Gruppe des Projektes „Initiative Inklusion Nordschwarzwald“ bei der Stellenrecherche auf unsere Stelle aufmerksam geworden und hat sich bei uns beworben.

Wie hat Sie der Teilnehmer von sich überzeugt?

Seine sehr offene und ehrliche Art in der persönlichen Kommunikation hat uns sehr angesprochen. Wir haben Herrn Winkler im Rahmen des Vorstellungsgespräches darum gebeten, uns ganz praktisch seine Softwarekenntnisse zu präsentieren und nach wenigen Klicks war uns klar, dass er über sehr gute Kenntnisse verfügt und diese unserem Unternehmen sogar einen Entwicklungssprung einbringen werden.

Wie wurde der Teilnehmer vom Team aufgenommen / wie hat er sich eingefügt?

Trotz der Bedenken, die die Mitarbeiterschaft natürlich hatte, wurde Herr Winkler sehr gut aufgenommen. Er hat sich auch sehr gut eingefügt und war vor allen Dingen in arbeitstechnischer Hinsicht sehr schnell voll einsetzbar. Eine Hauptaufgabe stellte die Archivierung der Konstruktionspläne dar. Herr Winkler entwickelte dazu eine logische und nachvollziehbare Struktur, die für alle Mitarbeiter mit Zugriff eine große Erleichterung darstellt. Inzwischen entwickelt er selbst Konstruktionsentwürfe, die vor allem durch ihre perfekte Normabstimmung glänzen. Schwierigkeiten hat Herr Winkler mit kundenspezifischen Gestaltungen, welche von der Norm abweichen. Das erklärt sich aus seiner Behinderung, autistische Menschen orientieren sich sehr an klaren Strukturen und Vorgaben. Deshalb ist geduldiges Heranführen an neue Themen laut Herr Weber ganz wichtig. Diese Überzeugungsarbeit, die gelegentlich sehr zeitintensiv ist, muss man auf sich nehmen. Allerdings sind Veränderungs-prozesse und Innovationen in jedem Unternehmen eine schwierige Aufgabe.

„Anfangs dachten wir daran, Herr Winkler seinen Arbeitsplatz in einem Einzelbüro einzurichten, kamen aber davon ab, da dies in der Einführungsphase die Kommunikationswege verkompliziert hätte.“

Die Schwierigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation mit seinen Kolleginnen und Kollegen wurden offen angesprochen und lösungsorientiert behandelt. Da Autisten in bestimmten Situationen sehr impulsiv und lautstark reagieren können, wurden mit den Mitarbeitern im engsten Umkreis von Herrn Winkler und mit ihm Prinzipien für den Umgang besprochen, die sich bewährt haben und sehr gut funktionieren.

Sind Sie im Zusammenhang mit der Einstellung auf bürokratische Hürden oder Probleme gestoßen?

Nein, es gab keine bürokratischen Hürden. Herr Winkler hat zuerst ein Praktikum absolviert, welches wir mit dem Integrations-Coach der pro.Di GmbH versicherungstechnisch vorbereitet und danach besprochen und bewertet haben. Die Einstellung war völlig unproblematisch und die Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim ist sehr gut.

Haben sich für sie Vorteile aus der Einstellung eines Menschen mit Behinderung ergeben?

Ja, unser Unternehmen erhält einen Eingliederungszuschuss von der Agentur für Arbeit. Die Beantragung verlief einfach und reibungslos, wir wurden dabei von pro.Di sehr gut beraten und unterstützt.

Was würden sie anderen Firmen als Fazit weitergeben oder sogar empfehlen?

Sehr wichtig ist sich im Vorfeld über die Behinderung zu informieren, denn sie kann wie am Beispiel von Herrn Winkler für bestimmte Aufgabengebiete sogar Vorteile mit sich bringen. Und dann „einfach mal machen und probieren!“

Unverzichtbar ist in jedem Fall, vorher mit den Mitarbeitern über die Einstellung zu diskutieren und sie mit einzubinden. Die Situation kann Besonderheiten mit sich führen, das sollte mal nicht leugnen, sondern sich darauf vorbereiten und dann gemeinsam Umgangsformen entwickeln. Dann kann die Einstellung eines Menschen mit Behinderung zu sehr positiven Effekten in beruflichen wie auch zwischenmenschlichen Bereichen führen.

1,4 Millionen Euro investiert die Bundesregierung in die Initiative Inklusion Nordschwarzwald. Ziel der Initiative ist es, mehr schwerbehinderte Menschen in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Für diese komplexe Aufgabe hat die Agentur für Arbeit mit der pro.Di GmbH einen erfahrenen Partner gefunden. pro.Di ist ein Unternehmen der Berufsförderungswerk Schömberg gGmbH, die seit mehr als 50 Jahren auf die berufliche Reintegration von Erwachsenen spezialisiert ist.

Auf der Suche nach Verstärkung für ihr Praxislabor bekamen Frau Dr. med. dent. Alexandra und Herr Privatdozent Dr. med. dent. Sebastian Patzelt von der Agentur für Arbeit Matthias Bäuerle vorgeschlagen – einen Teilnehmer der Initiative Inklusion. Auf die Frage, ob sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen können, reagierten die beiden ohne Vorurteile. Aus ihrer Sicht ist ein Handicap kein Ausschlusskriterium. „Vielmehr sollte geprüft werden, ob ein modifizierter Arbeitsplatz nicht neue Möglichkeiten schafft, Menschen mit Behinderung eine Chance zu geben“.

Kurzerhand luden sie Herrn Bäuerle zu einem persönlichen Gespräch ein und hatten von Beginn an einen sehr guten Eindruck. Der 63-jährige überzeugte nicht nur durch seine Berufs- und Lebenserfahrung, sondern auch durch seinen offenen Umgang mit der Vergangenheit. Denn sein Lebenslauf liest sich alles andere als rund: Auf eine Ausbildung zum Zahntechniker folgte 1992 der Meistertitel. Im selben Jahr machte er sich selbstständig und führt in der Folge 18 Jahre ein Dentallabor.

Doch dann riss ihn eine Insolvenz 2010 von den Beinen. Alkohol und schwere Erkrankungen zwangen ihn zu einem Schnitt. Nach einem Schlaganfall machte er einen Entzug und wagte einen Neuanfang. Im Frühjahr 2015 meldete er sich als Zahntechniker wieder arbeitssuchend, mit einem Unterschied – seit seinem Schlaganfall gilt er als schwerbehindert.

Genau an dieser Stelle kommt die Initiative Inklusion ins Spiel und die Agentur für Arbeit vermittelte den Kontakt zu ihrem Bildungspartner pro.Di. In der Folge wurde er gezielt mit Einzel- und Gruppencoachings auf die aktuellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet und stand schließlich wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung.

„Wo der Wille und das Herzblut da sind, können Menschen eine neue Chance bekommen,“ sind Frau und Herr Patzelt überzeugt und luden Herrn Bäuerle zu einem zehnwöchigen Praktikum ein. Schnell erkannten sie, „dass nicht jede Behinderung für jeden Arbeitsschritt relevant ist.“ Während der Beschäftigung auf Probe lernten sie den ehemaligen Unternehmer als absoluten Teamplayer kennen, der sich auf Anhieb einfügt und auch von der Belegschaft vorbehaltlos aufgenommen wird. Aufgrund der räumlichen Nähe in einem kleineren Unternehmen, ein wichtiger Aspekt.

Und nach der Devise „stabiles Umfeld – stabile Leistung“ unterstützt der Familienbetrieb in der Folge Herrn Bäuerle auch in privaten Angelegenheiten. So ist es selbstverständlich, ihm auch bei der Wohnungssuche zur Seite zu stehen, um damit den Grundstein für einen Neuanfang im privaten Umfeld zu legen.

Mittlerweile ist Herr Bäuerle für die kommenden zwei Jahre fest angestellt und zu einem wichtigen Bestandteil der Belegschaft geworden. Mit seiner Erfahrung agiert er in turbulenten Phasen sogar als ruhender Pol. In puncto Arbeitsleistung zeigen sich die Jungunternehmer mehr als zufrieden. Und bei Arbeiten, die er nicht ohne Hilfe hinbekommt, ist er lernbereit und wird von seinen Kolleginnen unterstützt. Dabei wird er auch von seinen Arbeitgebern gefördert. „Eine Investition, die sich lohnt,“ sind sich Frau und Herr Patzelt sicher, „denn die entgegengebrachte Wertschätzung und die Bereicherung für das Team sind ein unbezahlbarer Mehrwert“.